Gestalttherapie

Fritz Perls

Die Gestalttherapie wurde von dem Ehepaar Laura und Friedrich Perls über einen Zeitraum von ca. 25 Jahren entwickelt und später von dem Sozialphiloso-phen Paul Goodman als umfassendes Konzept formuliert.

Die Entwicklung begann Ende der zwanziger Jahre in Deutschland, wo beide Perls als Psychoanalytiker ausgebildet wurden und sich gleichzeitig dem Studium des Existentialismus, der Gestaltpsychologie, Feldtheorie und Phänomenologie widmeten.

Unzufrieden mit der klassischen Psychoanalyse arbeiteten sie neben ihrer praktisch therapeutischen Tätigkeit an einer Revision der Psychoanalyse und begründeten ein eigenes Therapiesystem, die „Gestalttherapie“.

Als tiefenpsychologisch fundiertes Psychotherapiever-fahren ist die Gestalttherapie gekennzeichnet durch eine ganzheitliche, gegenwartsbezogene Betrachtungs- und Vorgehensweise, die den ganzen Menschen, mit seinen kognitiven, seelischen und körperlichen Aspek-ten, sowie mit seinem lebensgesschichtlichen Kontext in das Therapiegeschehen einbezieht. Grundlegend ist die Auffassung, daß der Mensch von Geburt an mit den Potentialen für Liebe, Freude, Befriedigung, Gesundheit und Kreativität ausgestattet ist und daß die Verwirkli-chung dieser Potentiale seinem natürlichen, ihm innewohnenden Wachstumswunsch entspricht.

Das Menschen-und Weltbild der Gestalttherapie geht von einem ganzheitlichen holistischen Konzept der menschlichen Natur aus, in dem Körper, Geist und Psyche eine zusammenhängende Einheit darstellen. Ebenso wird das Universum als zusammenhängendes Ganzes verstanden, in dem alle Elemente sich in einem ständig verändernden Prozeß der organismischen Selbstregulierung befinden. Leben wird als eine Folge von ständig neu auftauchenden Gestalten (Formen) begriffen, die danach drängen, geschlossen zu werden. Die adäquate Selbstregulierung oder der „Gestalt-bildungsprozeß“ wird behindert, wenn der Kontakt des Organismus zu seiner Umwelt gestört ist.

Die Fähigkeit des Menschen auf die jeweiligen organismischen Bedürfnisse und Herausforderungen der Um-welt adäquat antworten zu können, setzt Bewußtheit, das Wissen und Erkennen von Wahlmöglichkeiten voraus. Deswegen ist in der Gestalttherapie die Bewußtheit über das „Symptom“ die wichtigste Voraussetzung für eine Veränderung. In dem Maße wie sich die Bewußtheit des Organismus erweitert, stellt sich die gesunde organismische Selbstregulierung wieder her.



Die Hauptwerkzeuge

eines Gestaltherapeuten sind sein eigenes Gewahrsein, Dialog und Experimente, wobei er vornehmlich mit dem Offensichtlichen, mit dem, was er sieht und hört, arbeitet. Wichtig ist, daß der Klient seine eigenen Antworten findet.

Mögliche Techniken,

die jedoch nur nachgeordnete Hilfsmittel sind und den Prozeß nur fördern, nicht jedoch steuern sollen, können folgende sein:
Traumarbeit, Körperwahrnehmung, Übertreibung, Rollenspiel, Dialog mit abgespaltenen Anteilen, absichtliche Projektion, Konfrontation, geleitete Phantasie.

Therapiebeispiel:

Kl: „Ich habe Schwierigkeiten, mich auf die Traumsze-nen zu konzentrieren.“ (Der Traum handelte von ihrer Beziehung zu ihrer toten Mutter).
Th: „ Können sie mehr zu ihren Schwierigkeiten sagen?“
Kl: „Ich fühle mich abgelenkt, die Szenen scheinen weit weg. Ich merke,daß ich flach atme und ich halte meine Hände zusammen.“
Th: „Bleiben sie weiter bei diesem Erleben und sagen sie mir, was sie dabei empfinden.“
Kl: „Ich fühle mich aufgewühlt, meine Schultern sind verspannt und die Augen tun weh, so, als wollte ich weinen.“
Th: „Wollen Sie denn weinen?“
Kl: „Ja, aber ich kann nicht.“
Th: „Sind sie sich bewußt, wie sie sich am Weinen hindern?“
Kl: „Ja, meine Wangen sind sehr hart, als ob mein Kiefer festgeschraubt wäre. Und die Spannung in meiner Brust hält mich auch zurück.“
Der Therapeut schlägt ihr eine Veränderung ihrer Po-sition vor, so daß sie tiefer atmen kann, sowie Entspan-nungsübungen für ihren Kiefer. Sobald sie seinem Vor-schlag nachkommt, beginnt sie in heftiges Weinen auszubrechen. Sie erkennt, daß sie mit dem Weinen endlich um ihre tote Mutter trauert, wozu sie nicht in der Lage war, als ihre Mutter starb.

 

Ziel des Verfahrens

ist es, die abgespaltenen Teile des Selbst zu reintegrieren, die Kontaktgrenzstörungen zur Umwelt und die Blockierung im Erleben, Wahrnehmen und Handeln be-wußt zu machen, die vorhandenen Selbstheilungsp-otentiale freizusetzen und somit die organismische Selbst-regulierung und die Fähigkeit für sein Leben Verantwortung zu übernehmen, wiederherzustellen.

 

Paul Rebilliot
Einer der Väter der

Gestaltstherapie
1992 im Kamala