Frühling - Krankenhaus 152

Zu Beginn der Sitzung verspürt die Klientin Spannung und Druck in der Brust, im Hals und im Kopf, sowie ein damit verbundenes Gefühl der Resignation. Über das bewußte Wahrnehmen der Körpergefühle findet sie rasch die Verbindung zu einem inneren Bild. Sie sieht sich, wie sie als 10-jährige mit der Diagnose „Diabetes“ für 4 Monate ins Krankenhaus kommt. Dort fühlt sie sich sehr hilflos, aber auch überflüssig und wertlos - wie auf dem Abstellgleis. Sie beschreibt das Gefühl mit den Worten: „... das Ende der Daseinsberechtigung ... zum Objekt degradiert ... repariert werden ... auf nichts mehr selbst Einfluß nehmen ... Aktionen sind unerwünscht.“
Plötzlich kommt ein tiefes Gefühl der Traurigkeit hoch: „Draußen beginnt der Frühling und alles blüht wieder, aber ich habe das Gefühl, ich nicht mehr. Mich geht das alles nichts mehr an. Ich habe das Gefühl, ich gehöre überhaupt nicht mehr hierher.“ Durch die innere Konfrontation mit allen auftauchenden Bildern, Gefühlen und Körperreaktionen nimmt die Klientin jedoch auch eine aufkeimende Sehnsucht wahr - nach dem Leben, wieder dazuzugehören und wieder alles zu sehen und zu spüren - Sehnsucht nach dem Frühling. Zugleich aber das Gefühl: „Solange ich krank bin, kann es keinen Frühling mehr geben und solange es keinen Frühling gibt, kann ich nicht gesund werden“. Die Klientin sieht den Teufelkreis, in dem sie sich befindet und versucht ihn zu durchbrechen, indem sie dem kleinen Mädchen Blüm-chen ins Krankenhaus bringt. Die Krankenschwester und der Arzt wollen das verhindern. Daraufhin beginnt sie sich intensiv mit den beiden auseinanderzusetzen: „Keine Liebe! Keine Zuwendung! Nur Tabletten und Spritzen! Ihr seid Kinderkaputtmacher!“

Mithilfe eines kleinen Bäumchens, welches die Klientin in ihrem Krankenzim-mer pflanzt und mithilfe der Farbe Grün, die für „Durchsetzungskraft und Vertrau-en in das eigene Wollen“ steht, findet sie die Kraft, das Krankenhaus gemeinsam mit anderen Kinden zu verlassen.
Zurück in ihrem Zuhause pflanzt sie das Bäumchen in den elterlichen Garten und setzt sich mit ihrern Eltern darunter. Der Druck ist verschwunden, Arme und Beine sind warm und plötzlich erkennt die Klientin: „An dem Bäumchen wachsen Zellen - Zellen für meine Bauch-speicheldrüse. Und ich kann sehen, wie der Baum immer größer wird. Das fühlt sich richtig gut an.“

Die Klientin spürt zunächst einen Druck auf der Brust, der sich dann in den Hals-bereich und schließlich bis in den Kopf ausbreitet.

Kl: Ich habe eine Spannung im Kopf, daß ich überhaupt nicht mehr denken kann. Es flimmert vor den Augen.
Th: Schau, ob du es erlauben kannst, was immer es mit dir macht, wohin es sich auch ausbreitet, was immer du wahrnimmst, was sich entwickelt daraus, welche Bilder dazugehören. Es darf alles sein.
Kl: Zuerst war Angst da, jetzt ist es eher Resignation. Ich kann es eh nicht ändern.
Th: Dann sage es dem Druck oder der Spannung.
Kl: Ihr Schmerzen, Druck, Spannung, ich kann es nicht ändern. Ihr seid einfach da und kreist in meinem ganzen Oberkörper und im Kopf. Ich habe keine Möglichkeit, etwas zu tun.
Th: Wie fühlt es sich an, so handlungsunfähig zu sein? Das scheint direkt damit zusammenzuhängen. Kennst du das? Schau mal, was hochkommt. Nichts tun zu können. Woher kennst du das? Welche Idee kommt?
Kl: Die erste Idee war “Krankenhaus”.
Th: Schau mal, welches Bild dazugehört.

Kl: Ich sehe mich als Zehnjährige, als bei mir Diabetes festgestellt wurde und ich ins Krankenhaus mußte, wo ich überhaupt nichts mehr tun konnte oder durfte. Ich habe mich nicht krank gefühlt und mußte im Bett bleiben.
Th: Sprich doch mal die U. dort an, die Zehnjährige und erzähle es ihr.
Kl: Ich sehe dich irgendwie hilflos und es passieren ständig irgendwelche Sachen und keiner bekommt mit, was du überhaupt willst. Am Anfang rebellierst du ein bißchen, aber dann resignierst du einfach. Du läßt alles wochen- und monatelang geschehen, ohne etwas dagegen zu tun.
Th: Sage ihr auch, daß sie mit den Schmerzen und Spannungen, die du heute spürst, über 30 Jahre später, irgend etwas zu tun hat. Schau mal, wie sie reagiert.
Kl: Es kann sein, daß du es ausgelöst hast, oder daß es damals ausgelöst wur-de, daß ich noch heute so unter Span-nungen leide, mich hilflos fühle. - Sie meint, sie kann ja nichts tun. Ja, du kannst ja nichts tun. Du bist regelrecht eingesperrt. Es ist schlimmer wie im Gefängnis. - Sie sagt, sie würde gerne abhauen, aber sie ist noch zu klein und findet sich nicht zurecht. - Klientin beginnt zu weinen.
Th: Spüre mal diese Verzweiflung in ihr.
Kl: Sie sagt, sie fühlt sich mitten aus dem Leben herausgerissen, wie auf dem Abstellgleis.
Th: Schau mal, ob du ihre Hand nehmen kannst oder sie in den Arm nehmen.
Kl: Da schnürt es mir alles zu. - Klientin weint.
Th: Es ist okay, laß es zu. Spüre die Verzweiflung, die sie hat. - Die Klientin weint immer verzweifelter - Wenn du magst, erzähle ihr, daß dieses Gefühl noch heute manchmal auftaucht, daß du es kennst.
Kl: Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, daß ich denke, ich bin nicht gut genug, es ist etwas verkehrt, ich bin nicht in Ordnung.
Th: Erzähle ihr das. Kennt sie das?
Kl: Sie sagt, sie hat da ganz massiv das Gefühl, ausgegrenzt zu sein, weil sie nicht in Ordnung ist. - Ich spüre immer wieder, wenn etwas schwierig wird, dann grenze ich mich selbst aus. Dann fühle ich auch, daß irgendetwas nicht in Ordnung ist. Manchmal empfinde ich auch ein Überlegenheitsgefühl, wenn ich anders bin als andere.
Th: Schau mal, ob du zu ihr so etwas sagen kannst wie: Du bist in Ordnung, so wie du bist, damit sie es wenigstens ein Mal hört. - Die Klientin kann es nicht sagen und beginnt wieder zu weinen - Du kennst dieses Gefühl bis heute. Es hat sich ganz tief eingegraben. Erzähle ihr davon.
Kl: Ich will dich so nicht okay finden, wenn du krank bist! - Klientin weint.
Th: Das sieht sie auch an deiner Ver-zweiflung, daß du darunter leidest, daß sie nicht okay ist. Schau mal, wie es ihr geht damit.
Kl: Sie sitzt im Bett und weint und sagt, sie kann ja auch nichts dafür, daß sie krank ist. Sie weiß auch nicht, warum. - Lautes Schluchzen.
Th: Schau mal, ob du dich ein bißchen zu ihr setzen kannst. - sie tut es - Wie ist es für dich, neben ihr zu sitzen?
Kl: Ich fühle mich genauso hilflos wie sie und weiß nicht, was ich tun soll.
Th: Kannst du die Verbundenheit spüren, die da ist zwischen dir und ihr. - Klientin nickt - Dann spüre auch, daß sie jetzt nicht mehr alleine ist im Krankenhaus.
Kl: Sie ist ja nicht alleine. Das ist ja das Schlimme. Sie wäre lieber ganz alleine als zusammen mit anderen kranken und sterbenden Kindern.
Th: Sie soll es ihnen einfach mal sagen, daß sie lieber ganz alleine wäre.
Kl: Ich möchte lieber ganz alleine hier sein, als euch um ich zu haben. Ihr könnt mir auch nicht helfen. Ich vergrabe mich lieber in meinen Büchern, die ich hier habe und lenke mich von dem tristen Alltag ab. Da komme ich wenigstens in Gedanken hier raus, in meiner Phantasie. Hier ist alles kahl und weiß und langweilig.
Th: Spüre mal, ob du dieses Gefühl heute noch kennst.
Kl: Nein, das gibt es heute nicht mehr, Langeweile gibt es nicht. Mein Plan muß immer voll sein. Ich kann es nicht ertragen, irgendwann nichts zu tun zu haben.
Th: Kannst du spüren, daß es ähnlich wäre wie im Krankenhaus?
Kl: Ja, Ablenkung. Ich mache heute tausend Sachen, egal ob sie sinnvoll oder sinnlos sind, nur um mich abzulenken. Meistens bilde ich mir ein, es sei sinnvoll, was ich tue.
Th: Laß das Gefühl einmal auftauchen, das kommen würde, wenn du dich nicht ablenkst. Welches Gefühl wäre es? Oder frage sie. Vielleicht kennt sie es.
Kl: Das Gefühl, überflüssig zu sein, wertlos zu sein. Es ist so, wie ..... keine Daseinsberechtigung zu haben.
Th: Frage sie, ob sie es auch kennt.
Kl: Sie kennt es, seit sie ins Kranken-haus gekommen ist. Es ist so ...... das Ende der Daseinsberechtigung. Sie wird zum Objekt degradiert ...... daß sie da ist und behandelt werden muß ........ repariert werden muß ....... auf nichts mehr selbst Einfluß nehmen kann. Aktionen sind unerwünscht.
Th: Frage sie, woher sie das noch kennt, oder ob sie das im Krankenhaus erst kennengelernt hat.
Kl: Kennst du das noch woanders her, keine Daseinsberechtigung zu haben? - Sie hat das Gefühl manchmal als Kind gehabt. Es war immer sehr zwiespältig, mal ja, mal nein. - Im Elternhaus war nicht immer alles okay, was ich gemacht habe. Dort hatte schon alles seine engen Grenzen. Es gab auch schöne Sachen, die okay waren.
Th: Hole mal deine Eltern und sage es ihnen!
Kl: Ihr habt mir schon enge Grenzen ge-setzt. Es war immer schwierig für mich, wenn ich sie überschritten hatte. Dann gab es schon immer Sanktionen. Zwi-schendurch hatte ich auch das Gefühl, daß ich okay war. Jetzt habe ich das Gefühl, ich bin hier auf dem Abstellgleis und habe gar keine Daseinsberechtigung mehr. Diese lange Abwesenheit von meinen Freunden, von meiner Familie....
Th: Wie lange warst du im Krankenhaus?
Kl: Etwas vier Monate. Danach ist alles so fremd. - Klar freut ihr euch alle, wenn ich wieder da bin. Aber in diesem Alter ist auch so viel passiert in vier Monaten ..... bei euch. Bei mir nicht.
Th: Erzähle ihnen, was dir aufgefallen ist.

Kl: Als ich gegangen bin, war es Winter. Es war kalt. Jetzt beginnt der Frühling und alles blüht wieder, aber ich habe das Gefühl, ich nicht mehr. Mich geht das alles nichts mehr an. - Klientin weint - Ich habe das Gefühl, ich gehöre überhaupt nicht mehr dazu. Ich gehöre nicht mehr hierher.
Th: Sage es einmal dem Frühling.
Kl: Frühling, ich kann dich nicht ertragen. Es ist alles so frisch und neu und schön, aber ich fühle mich ganz anders, so ausgelaugt und kaputt.
Th: Du bist quasi aus dem Frühling ausgestiegen.
Kl: - weint heftig - Ich kann mich nicht darüber freuen, daß ich da raus bin, aber drin sein will ich auch nicht mehr. Ich gehöre da nicht mehr hin.
Th: Schau mal, wie der Frühling darauf reagiert. Ist er noch da?
Kl: Ja, es wächst und gedeiht alles weiter. Ich habe das Gefühl, ich bin in einem tiefen Loch und habe trotzdem keinen Boden unter den Füßen. Der Frühling ist zwar da, aber um mich herum ist es total dunkel. - Klientin weint - Ich spüre zwar, daß du da bist, Frühling, ich habe aber das Gefühl, für mich bist du nicht mehr da. Du bist unerreichbar ...... weit weg.
Th: Hast du ein bißchen Sehnsucht danach? - Klientin nickt - Sage es ihm.
Kl: Es ist nicht nur der Frühling, es ist alles, alles, alles, was seit damals weg ist! ... Ich habe Sehnsucht, einfach da zu sein, dazugehören, lebendig zu sein, nicht so abgeschnitten.
Th: Wie wäre es, wenn der Frühling wieder auf dich zukäme? Sage ihm, er darf wieder ein bißchen kommen.
Kl: Frühling, willst du wieder ein bißchen zu mir kommen?
Th: Er hat es wahrscheinlich respektiert, daß du weggegangen bist. Schau mal, ob er von selbst wieder auf dich zukommt.
Kl: In diesem Loch, in dem ich sitze - nein, ich sitze nicht darin, ich schwebe darin, habe keinen Boden unter den Füßen - da wächst an den Seitenwänden Gras ... und ein paar Blümchen. Das ist zu wenig
Th: Hast du mehr Sehnsucht? Dann sage es.
Kl: In diesem engen Loch ein bißchen Gras und ein paar Blümchen, das ist mir zu wenig. Das ist wie im Grab. Da sind die Blümchen zwar nicht innen, sondern oben drauf, aber es erinnert mich daran.
Th: Sage ruhig, daß du mehr Sehnsucht hast und mehr vertragen kannst, oder wieder mehr verbunden sein möchtest.
Kl: Ich will endlich da raus. Ich will wieder alles sehen und alles spüren.
Th: Frage mal die U. im Krankenhaus, ob sie auch etwas haben will vom Frühling, vom Leben.
Kl: Sie sagt, dazu gehört auch, gesund zu sein. Und das geht nicht mehr. Das haben die Ärzte gesagt.
Th: Und das heißt, solange sie nicht gesund ist, darf der Frühling nicht kommen. Und solange der Frühling nicht kommt, ist sie nicht gesund. Nur der Frühling kann es wieder neu machen. Frage sie, ob sie bereit ist, es auszuprobieren, den Frühling wieder anzunehmen.
Kl: Sie sagt immer noch, solange sie krank ist, kann es keinen Frühling geben.
Th: .....und solange es keinen Frühling gibt, ist sie krank. Das ist genau dasselbe.
Kl: Das ist ein Teufelskreis!
Th: Frage sie, ob sie bereit wäre, mit ihrer Krankheit in den Frühling hineinzugehen.

Kl: Sie traut sich nicht. Sie fühlt sich nicht gut genug. - Klientin seufzt tief - Sie will nicht, daß jemand sieht, daß sie krank ist. Sie will für alles fit sein und sich nichts anmerken lassen.
Th: Frage sie mal, ob du ihr ein paar Blümchen ins Krankenhaus bringen darfst, ein bißchen vom Frühling. Schau mal, ob du es machen möchtest.
Kl: Da kommt abends dann die Kran-kenschwester und sagt: jetzt müssen die Blumen aus dem Zimmer raus!
Th: Sage ihr, daß das hier eine andere Geschichte ist. Erkläre ihr, daß, wenn der Frühling da ist, sie leichter wieder gesund wird. - seufzt tief - Vielleicht hilfst du ihr ein bißchen dabei.
Kl: Die Krankenschwester sagt: Ausnah-men werden nicht gemacht! - Ich will aber, daß jetzt eine Ausnahme gemacht wird! Ich stelle jetzt die Blümchen in den Schrank, damit sie niemand sieht. Aber dann sieht U. sie auch nicht.
Th: Ich denke, du mußt dich mit der Krankenschwester auseinandersetzen. Sie hat momentan das Regime. U. hat gar keine Chance, eine Ausnahme zu sein. Dieser Satz ist in dir: Es werden keine Ausnahmen gemacht! Das wirkt. Schau mal, ob du nicht eine Ausnahme sein willst.
Kl: Aber ich versuche doch immer, dagegen zu arbeiten. Mein ganzes Leben verbringe ich damit.
Th: Sage es mal der Krankenschwester. Jetzt ist Schluß damit! Ab sofort ist nur noch die Ausnahme die Regel.
Kl: Die Blumen bleiben hier! Ich bin eine Ausnahme und ich bleibe es auch! - Sie sagt: Da liegt noch ein Kind in diesem Zimmer und vielleicht kann es die Blumen nicht vertragen. - Ich sage: Wenn sie das tagsüber vertragen kann, wird sie nachts auch nicht daran sterben!
Th: Ja, setze dich durch!
Kl: Es ist so viel Resignation da.
Th: Sie hat die Macht, die Kranken-schwester. Wie soll da denn der Frühling zurückkommen, wenn noch nicht mal die Blümchen nachts da sein dürfen. Du mußt jetzt etwas machen. Geh’ doch zum Oberarzt.
Kl: Den kann ich nicht leiden! - sie soll es ihm direkt sagen - Du A...., dich kann ich überhaupt nicht leiden, vom ersten Blick an nicht! Du machst noch mehr kaputt, als eh schon kaputt ist! Ich weiß nicht, wie man so jemanden wie dich auf Kinder loslassen kann! Das ist strafbar! Ich werde einen Antrag stellen, daß du ins Gefängnis kommst! Lebenslänglich! Oder ins Krankenhaus! Ins Bett und nie mehr raus! Du hast keine Ahnung was hier los ist in all den Kinderseelen hier!
Th: Nimm ihn an die Hand und zeige es ihm.
Kl: Schau hin! Ein schreiendes Zwei-jähriges, das nahe am Sterben ist, und die Schwester denkt: Laß es, es ist eh zu spät. Es hört auch nicht auf zu schreien, wenn ich komme. - Keine Liebe! Keine Zuwendung! Nur Tabletten und Spritzen! Das ist alles, was ihr für richtig und gut haltet! Ich halte das nicht für gut! Ihr seid Kinderkaputtmacher! Sie sind schon körperlich kaputt und seelisch bekommen sie noch den Rest! Und eine solche Behandlung wird auch noch von den Krankenkassen bezahlt! Das darf es doch nicht geben!
Th: Und dir gönnt er die Blumen nachts nicht.
Kl: Ihr seid noch nicht einmal so tolerant, daß ich Blümchen am Bett haben darf! Als ob die irgend etwas kaputtmachen! Ihr seid es, die hier alles kaputtmachen! Ihr habt keine Ahnung, was hier wirklich los ist! Ihr denkt, wenn ein Kind körperlich wieder gesund ist und geht nach Hause, dann ist alles wieder okay. Ich habe das Gefühl, ein Kind, das einmal bei euch war, wird nie wieder richtig gesund.
Th: Erzähle ihnen von der U. Das ist dabei herausgekommen.
Kl: Ihr habt sie total vermurkst. Sie hat überhaupt kein Vertrauen mehr gehabt, zu niemanden und auch nicht mehr zum Leben. Sie schwebt jetzt irgendwo - nicht mal zwischen Himmel und Erde - eher zwischen Erde und Hölle in einem dunklen Loch.
Th: Und sage ihnen, du willst ihr ein paar Blümchen bringen.
Kl: Ich bringe ihr jetzt ein paar Blüm-chen, damit sie ein bißchen etwas vom Frühling hat. Denn raus darf sie auch nicht. Sie ist im Prinzip kerngesund und darf dieses Haus nicht verlassen! Sie durfte ein- oder zweimal in diesen vier Monaten spazierengehen. Das ist doch kein Leben für ein Kind! Sie hat hier den Kontakt zu ihrer Vitalität, zum Leben überhaupt verloren. Hier gibt es kein Leben! Klar gibt es hier mal Blümchen, aber die sind abgeschnitten. Genauso abgeschnitten fühle ich mich auch! Ich will ihr auch keine abgeschnittenen Blümchen bringen, sondern etwas das wächst. Ich will ihr keine Blumen bringen, die man in die Vase stellt und dann wegwirft. Das ist genauso wie mit den Kindern im Krankenhaus! Sie sind abgeschnitten, dann dürfen sie noch ein bißchen leben ............. und dann weg! - Klientin weint - Irgendwie ist der Vergleich seltsam. Aber die abgeschnittenen Blüm-chen blühen auch nur noch kurz auf und welken dann vor sich hin.
Th: Das heißt, die Kranken bekommen ständig präsentiert, die Blumen sterben ab. Das heißt, die Zeit ist abgelaufen.
Kl: Ich mag auch diese abgeschnittenen Blumen nicht. Ich mag sie lieber, wenn sie draußen auf der Wiese stehen. Obwohl ich es im Sommer schön finde, einen bunten Wiesenstrauß zu haben, tut es mir immer weh, sie abzupflücken.
Th: Sage es den Blumen!
Kl: Ich mag euch nicht gerne abpflük-ken, denn dann ist klar, daß ihr nur noch kurze Zeit schön ausseht. Dann seid ihr welk und werdet einfach weggeworfen.
Th: Ist das der Zustand, den du auch kennst mit zehn Jahren?
Kl: Ja. Wie auf dem Abstellgleis. Dann ist das Leben vorbei. Es ist nur noch grau und trist. Ich bringe der U. auch keine Blumen, die welken. Ich bringe ihr einen kleinen Baum, der wächst.
Th: Und frage die Krankenschwester, ob der Baum nachts dableiben darf.
Kl: Das ist keine blühende Blume und es macht wohl nichts, wenn der Baum hier steht und wächst. Es ist eigentlich nur ein Samenkorn, das gerade ein bißchen sprießt. Es ist nur ein kleines grünes Blättchen zu sehen. Das stelle ich jetzt auf den Nachttisch. Das muß aber jetzt hierbleiben und wachsen. Wenn es eingeht oder ihr es rausstellt, dann geht die U. auch ein. Das will ich nicht. - Sie fragt, wie schnell das wächst. - Das wächst schon sehr schnell. Und wenn es nicht mehr ins Zimmer paßt und auf den Nachttisch, dann geht die U. mitsamt ihrem Bäumchen. - Das geht aber nicht, Das haben wir zu bestimmen, sagt die Krankenschwester. - Ihr habt überhaupt nicht über mich zu bestimmen! Das tue ich immer noch selbst! Wenn ich gehen will, dann gehe ich, sagt die U. - Und sie hat damals schon ihre Eltern bearbeitet, daß sie nicht dableiben will.
Th: Hole deine Eltern mal herbei.
Kl: Ich habe ihnen einen Brief geschrieben, daß ich hier raus will. Daß ich nicht länger hierbleibe.
Th: War es notwendig oder warst du nur Versuchskaninchen?
Kl: Heute denke ich, ich war Versuchs-kaninchen. Meine Eltern haben mir er-zählt, daß sie mich zu einem anderen Arzt bringen wollen, aber nach mehr als drei Monaten Klinikaufenthalt hatte ich die Nase voll von allen Ärzten. Ich wollte nicht! Nicht mehr in ein anderes Kranken-haus. - Dann seid ihr wieder nach Hause gefahren. Dann war ich noch eine Woche da und noch eine Woche ......, und es hat noch keiner gesagt, daß ich endlich nach Hause gehen kann. Es hieß immer, meine Werte sind noch nicht gut genug. Ich bin noch nicht gut genug! Also darf ich nicht nach Hause gehen.
Th: Sage ihnen das mal.
Kl: Bei mir ist angekommen, ich bin noch nicht gut genug, deshalb muß ich noch dableiben. Ich bin nicht gut genug zum Leben, ich muß noch in dieser .... Leichenhalle bleiben. Solche Bilder kommen jetzt. - Ich schreibe jetzt einfach meinen Eltern einen Brief. Sie holen mich schon hier raus! Dann könnt ihr hier kopfstehen, dann gehe ich einfach!
Th: Schau mal, welche Qualität du brauchst, damit das geht, damit du rauskommst. Frage mal die kleine U.
Kl: Was brauchst du denn, daß du sagen kannst, daß du raus willst. - Vertrauen in die Durchsetzungskraft, Vertrauen in das eigene Wollen.
Th: Ja. Frage sie mal, welche Farbe das wäre. - Klientin nennt die Farbe Grün - Laß die Farbe mal in dich einlaufen und schau, wo besonders viel davon hinfließt.

Kl: Ich spüre ganz viel davon in den Händen und in den Füßen.
Th: Handeln und gehen.
Kl: Meine Arme fühlen sich jetzt so an, als würde ich jeden Tag zwei Stunden in einem Bodybuilding-Studio trainieren. Es fühlt sich aber noch etwas unbeweglich an. Ich spüre zwar viel Kraft, aber sie kann nicht raus. Muskelpakete, total steif und unbeweglich.
Th: Und deine Füße oder Beine?
Kl: Kräftig, schwer, Bodenkontakt.
Th: Gut, jetzt machst du dasselbe noch einmal. Läßt die Farbe einlaufen in dich und schickst sie zu dem Mädchen im Krankenhaus. Und schau, was bei ihr passiert.
Kl: Es ist ganz seltsam. Sie sah zwischendurch so kräftig aus, aber ....... sie hat einen Panzer an. Das, was so kräftig wirkt, gehört nicht so richtig zu ihr. Sie will jetzt raus, aber dann wirklich mit Gewalt alles niedermachen.
Th: Das ist so etwas wie ein Gegenpol. Okay, das ist anscheinend der erste Schritt. Das ist wohl wichtig. Schau mal, was sie macht oder machen will. Viel-leicht braucht sie den Panzer, um ihre Kraft zu erproben.
Kl: Sie sagt, sie geht jetzt raus.
Th: Sie soll die Schwester und den Arzt rufen und sehen, ob sie es schafft. Ob sie Einspruch erheben oder sagen, es ist okay.
Kl: Sie geht jetzt aus ihrem Zimmer heraus ..... da kommt schon eine Schwester .... sie geht zur Ausgangstür hin, da schreit ihr die Schwester hinterher: Blieb hier! - Sie sagt: Nein, ich gehe jetzt! - Die Schwester fragt: Wo willst du hin? - Ich gehe jetzt nach Hause, sagt sie. Ich gehe jetzt hinaus ins Leben! Bei euch hier gibt es kein Leben, da gibt es nur tote, kahle, weiße Wände, wo ich ab zu ein selbstgemaltes Bild ankleben darf. Das ist auch nicht sehr lebendig. Oder wo ich meine Nase in irgendwelche Bücher stecken kann, aber sie sind auch nur für den Augenblick ein bißchen lebendig, wo ich gerade lese. Wenn ich sie wegstelle, ist es wieder tot um mich herum. Ich will jetzt einfach hinaus ins Leben. - Die Schwester ruft jetzt nach dem Arzt, um ihm zu sagen, die U. ist jetzt durchgedreht. - Es ist auch kein Wunder, daß ich hier durchdrehe, das ist ganz normal in dieser Umgebung. Da bleibt kein Mensch normal. Die meisten Kinder resignieren und ich will jetzt einfach raus!
Th: Probiere aus, ob es geht.
Kl: Es gibt hier ein Sicherheitssystem. Im Schwesternzimmer gibt es einen Schal-ter, damit kann man alle Türen blockieren. Die Schlösser rasten ein und keiner kann mehr raus. Aber ich habe einen Panzer. Ich nehme meine Ellenbogen und schlage damit die Scheibe ein. Jetzt gehen die Sirenen an, weil die Scheibe eingeschlagen wurde. Ich springe einfach durch. Es macht mir nichts aus mit meinem Panzer.
Ich renne diese breite Treppe hinunter. Arzt und Schwestern kommen nicht raus. Das Loch, das ich in die Scheibe ge-schlagen habe, ist zu klein, daß Erwach-sene nicht durch können, und die Tür haben sie ja selbst verriegelt. Sie stehen davor und der Arzt macht mit seinem kleinen Hämmerchen das Loch etwas größer.
Th: Er will auch raus. - Klientin und Therapeut lachen - Frage ihn, ob er mit will. Draußen ist es viel schöner.
Kl: Ich will ihn gar nicht dabei haben. - Du bleibst hier eingesperrt. Ich gehe jetzt raus! - Ich renne jetzt raus. Da ist aber noch kein Frühling zu sehen. Da sind Häuser und andere Kliniken. Ich muß jetzt erst mal sehen, daß ich da wegkomme. Nicht daß mich da einer findet. Das ganze Krankenhaus ist jetzt in Alarm-stimmung. Es laufen noch mehr Kinder weg, die durch das Loch geschlüpft sind. Sie laufen in alle Himmelsrichtungen. Schwestern und Ärzte laufen hinterher, um sie wieder einzufangen. Die Kinder krabbeln aber unter Zäunen durch, wo die Erwachsenen nicht durchkommen ........ oder unter Hecken. - Sie verstecken sich dann irgendwo. - Sie sind jetzt in alle Himmelsrichtungen gelaufen, jedes möglichst schnell. Ich laufe jetzt einfach an den Krankenhäusern und anderen Ge-bäuden vorbei, bis ich auf eine grüne Wiese komme. Da sind Pferde auf einer Koppel. Da laufe ich hin. - sie soll sie wieder direkt ansprechen - Wie schön, daß ihr hier seid. - Ich füttere sie mit Gras. Wißt ihr, ich bin jetzt raus aus dem Krankenhaus, und ich fühle mich auch nicht mehr krank. Ich will jetzt einfach nur leben. Ich brauche jetzt eins von euch Pferden, das mich nach Hause bringt, weil ich sonst nicht weiß, wie ich nach Hause komme. ... Da kommen alle Pfer-de. Und da hinten kommen alle Kinder, die weggelaufen sind. Ich erzähle ihnen, daß die Pferde bereit sind, jedes Kind nach Hause zu bringen.
Th: Das ist toll.
Kl: Bei mir zu Hause bekommst du auch etwas Gutes zu futtern. - Die Pferde ge-hen jetzt in die Knie, daß wir alle aufsteigen können. Es sind nicht genug Pferde, aber es passen auch zwei Kinder auf ein Pferd. Die Kinder, die nicht so weit entfernt wohnen, können zu zweit ein Pferd haben, sie kommen trotzdem schnell genug nach Hause. Da ich einen ziemlich weiten Weg habe, habe ich ein Pferd für mich allein. Wir galoppieren jetzt los. Das Pferd springt über den Zaun. Da muß ich mich schon gut festhalten. Ich dachte, wir müßten ein Stück zurückreiten, aber da kommen schon die Ärzte und die Krankenschwestern. Sie sagen, sie ha-ben schon Polizei und Feuerwehr angerufen, die würden uns schon kriegen. Wir bewegen uns jetzt in die Richtung und kommen bald in den Wald. Dann verteilen sich Pferde und Kinder in alle Himmels-richtungen. Das Pferd, auf dem ich reite, sucht sich immer Wege, die von der Straße aus nicht zu sehen sind.
Th: Schau mal, wie deine Eltern reagieren, ob sie zu dir halten oder dich zurückschicken.
Kl: Ich komme jetzt zu meinem Eltern-haus, bleibe mit dem Pferd vor dem Hof-tor stehen. Dann gehen wir zur Treppe, wo ich gut absteigen kann. Ich klingele an der Tür. Sie sagen: Wo kommst du denn her? - Sie staunen. - Ich sage: Das erzähle ich gleich. Zuerst muß das Pferd etwas zu futtern kriegen. Es ist so weit gelaufen und es muß auch wieder nach Hause. - Alle reden durcheinander. - Ich erkläre euch gleich alles, aber erst muß das Pferd versorgt werden. Das Pferd kommt zum Grasen auf die Wiese. Wir setzen uns ebenfalls in den Garten. Es ist zwar noch kalt. Ich erzähle, daß ich getürmt bin, weil ich keine Lust hatte, dort noch länger zu bleiben. Und daß ich es gar nicht gut finde, wie es dort zugeht. Sie sagen, daß es ihnen auch aufgefallen ist und es ihnen jedesmal schwer fiel, mich dort lassen zu müssen. Sie sagen: Du mußt jetzt nicht mehr hin. Du bleibst jetzt hier.
Th: Spüre mal, ob du ihnen noch böse bist, daß sie dich nicht wirklich herausgeholt haben. Wenn sie gespürt haben, daß etwas nicht stimmt, hätten sie intensiv handeln müssen.
Kl: Sie haben schon auch Angst gehabt. - direkte Ansprache - Ich finde es nicht gut, daß ihr mich nicht herausgeholt habt. - Sie sagen, sie seien von den Ärzten massiv unter Druck gesetzt worden, so daß sie Angst hatten, es könne etwas Schlimmes passieren, wenn sie mich mit nach Hause genommen hätten. Nach dem Motto: Besser ein Kind im Kranken-haus als gar kein Kind mehr.
Th: Spüre jetzt mal, ob der Frühling wieder zu dir zurückkommt.
Kl: Wir sitzen im Garten und reden darüber, daß es kalt ist. Aber es ist gar nicht kalt. Es ist warm und die Sonne scheint. Und dieses kleine Bäumchen habe ich seltsamerweise dabei. Es ist schon ganz kräftig gewachsen auf dem Weg nach Hause. Ich pflanze es gleich hier im Garten ein, damit es weiterwachsen kann. - Klientin seufzt tief.
Th: Schau jetzt mal, ob die U. noch in dem Loch ohne Boden liegt mit etwas Gras am Rand, oder wie es jetzt dort aussieht.
Kl: Sie ist nicht mehr im Loch .... Du bist gar nicht mehr in dem Loch. Du bist jetzt draußen und betätigst dich im Garten, pflanzt da irgendwelche Sachen. Es scheint dir Spaß zu machen, wenn da alles wächst.
Th: Was sagt sie?
Kl: Sie sagt: Ich habe jetzt nicht so viel Zeit, mich mit dir zu unterhalten. Ich muß meine Blumen gießen, sonst gehen sie ein. - Sie ist sehr beschäftigt.
Th: Wie ist es für dich, wenn du das siehst? Es ist schon anders als vorher.
Kl: Ja, sie ist so aktiv. Ich spüre, daß ich ganz warme Hände und ganz warme Füße habe und viel Energie im Körper.
Th: Was ist mit dem Druck, den du am Anfang gespürt hast?


Kl: Weg! - Druck, ich kann dich nicht mehr spüren. Du bist nicht mehr da. Es fühlt sich alles so fließend an, nach Energie, nach Wärme. Es könnte zwar noch mehr Feuer sein, aber im Moment ist auch diese Wärme ganz angenehm. - Ich sitze jetzt mit meiner Familie unter dem Bäumchen und nehme wahr, daß daran Zellen wachsen, Zellen für meine Bauchspeicheldrüse. Und ich kann se-hen, wie schnell der Baum immer größer wird. Das fühlt sich richtig gut an.